Legen Sie für die Dauer Ihrer Forschungsarbeit ein Tagebuch an. Dafür eignet sich ein dickes Heft mit breitem Korrekturrand.
In dieses Heft können Sie alle Ihre Beobachtungen und Erfahrungen in Bezug auf Ihre Forschungsfrage eintragen.
Alle Ideen und Überlegungen, die Ihnen in den Sinn kommen – seien sie positiver, ambivalenter oder negativer Natur -, können für den weiteren Verlauf der Arbeit wichtig sein, sollen doch auf ihrer Grundlage Weiterentwicklungen und Verbesserungen erprobt werden. Die Eintragung aller Erfahrungen, auffälliger Ereignisse und Ideen in dieses Forschungstagebuch soll verhindern, dass diese wertvollen Informationen im Verlaufe der Projektarbeit wieder verloren gehen.
Einige Hinweise:
- Tagebuchschreiben ist eine persönliche Angelegenheit. Jede Tagebuchschreiberin kann Ihren persönlichen Stil entwickeln.
- Tagebücher sind private Produkte. Die Entscheidung, Teile daraus anderen zugänglich zu machen, liegt allein bei der Verfasserin.
- Literarische und orthografische Maßstäbe werden außer
acht gelassen.
‚Selbst-Zensur’ stört den freien Fluss der Gedanken.
- Gehen Sie ökonomisch vor. Ihr Tagebuch sollte keine ‚Fleissarbeit’ darstellen. Zeitaufwand und Nutzen müssen einander entsprechen.
- Achten Sie auf die Trennung von Beschreibung und Interpretation. Forschende Lehrer(innen) sind oft gefährdet, genaue Beobachtung zu vernachlässigen.
- Der breite Rand dient zur nachträglichen Ergänzung von Querverweisen und Anmerkungen, die die Bedeutung und Interpretation der jeweiligen Tagebuchstelle für die eigene Forschungsabsicht anzeigen.
- Eventuell ist es hilfreich, mit Überschriften, Subüberschriften oder Unterstreichungen zu arbeiten.
- Alles, was hilft, die Situation besser zu verstehen und sie später zu rekonstruieren, kann in das Tagebuch eingetragen werden: Beobachtungen, Gefühle, Reaktionen, Interpretationen, Reflexionen, Ahnungen, Hypothesen, Erklärungen, Gesprächsnotizen... Am häufigsten werden derartige Beobachtungen in Form von Gedächtnisprotokollen auftauchen. Ins Heft können auch Dinge, die für die Forschungsfrage von Belang sind, eingeklebt werden: Gedanken, die man unterwegs auf einem kleinem Zettel notiert hat, Fotos, Zeichnungen, Kopien von Dokumenten, Schülerarbeiten etc.
- Reservieren Sie sich für das Tagebuchschreiben einen einigermaßen störungsfreien Zeitraum in der Woche.
(in Anlehnung an: Altrichter/Posch: S. 29ff und S. 46f)
Um das ‚Brainstorming’ zum Thema ‚Unterricht’ an
Ihren
konkreten
Unterricht anzubinden, weiterzuentwickeln und dadurch zu ersten
‚praxisrelevanten Fragen’ zu gelangen, können Sie bis zum zweiten Treffen eine der folgenden Übungen
durchführen.
1.
Gedächtnisprotokoll
anfertigen
Wählen Sie eine
Unterrichteinheit der folgenden Woche aus, die Sie (auch) für Ihre
schwerbehinderten Schüler und Schülerinnen geplant haben. In Ihr
Forschungstagebuch schreiben Sie ein Gedächtnisprotokoll über den
Stundenverlauf, in das Sie auch alle Gedanken einfügen, die Ihnen während des
Schreibens und Nachdenkens in den Sinn steigen.
2.
Tonbandaufnahme/Videoaufnahme
Fertigen Sie von einer Unterrichtssituation
an der Ihr schwerbehinderter Schüler/Schülerin teilnimmt, eine Tonbandaufnahme/Videoaufnahme
an; wählen Sie daraus fünf Minuten aus, die Sie wörtlich aufschreiben. Falls
Sie eine Videoaufnahme gemacht haben, versuchen Sie zusätzlich so genau wie
möglich aufzuschreiben, was die handelnden Personen tun (Þ Beschreibung).
Anschließend schreiben Sie in eine Spalte daneben, alle Assoziationen, die
Ihnen bei den jeweiligen Textstellen ins Bewusstsein treten (Þ freie
Interpretation).
3.
Cluster
Notieren
Sie in einer entspannten Situation alle Assoziationen, die Ihnen zu dem Stichwort
‚Mein Unterricht mit schwerbehinderten Schülern und Schülerinnen’ kommen.
Hilfreiche Anstöße können folgende Fragen sein:
·
Welchen Spaß/Ärger habe ich im Unterricht mit diesen Schülern?
·
An welche Schülerin/Schüler erinnere ich mich am liebsten? Warum?
·
Wie lernen meine Schüler am Besten?
·
Was ist meine größte Enttäuschung in Bezug auf den Unterricht mit schwerbehinderten
Schülern?
·
Was liegt mir schon lange am Herzen?
·
Was würde ich gerne nächste Woche mal ausprobieren?
Beantworten
Sie nicht jede Frage für sich, sondern schreiben Sie alle aufsteigenden Gedanken
in Form einer Assoziationsliste nieder.
Im zweiten Schritt können Sie nun ein Cluster anfertigen, in dem Sie ein ‚Kernwort’ Ihrer Liste in die Mitte eines leeren Blattes schreiben und alle notierten Assoziationen in graphischer Anordnung (linear, verzweigt) darum herum platzieren. Wenn Sie möchten, können Sie zu dem Cluster (oder anstatt dessen) auch einen Text verfassen, der eher sachlicher Natur oder prosaisch-kreative sein kann.
4.
Collage
Schneiden Sie Worte, Sätze, Bilder aus Zeitungen/Zeitschriften,
nehmen Sie Fotos, eigene Aufzeichnungen, Bilder oder andere Materialien, die
Ihnen spontan gefallen und fertigen Sie damit eine Collage zum Stichwort ‚Mein
Unterricht mit schwerbehinderten Schülern und Schülerinnen’ an.
5.
Bewohner von fremdem Stern
Stellen Sie sich vor, dass ein Bewohner von einem fremden Stern von der linken, oberen Ecke unbemerkt in Ihr Klassenzimmer eindringt und Ihren Unterricht beobachtet, an dem (auch) Ihr schwerbehinderter Schüler oder die Schülerin teilnimmt. Beschreiben Sie in einem kurzen Text, was er sehen und denken würde.
(aus: Altrichter/Posch, S.47f)
Der dritte Arbeitsvorschlag: ‚Graphische Rekonstruktionen’
Graphische Rekonstruktionen können der näheren Klärung der Situation dienen. In einer späteren Phase des Forschungsprozesses können sie helfen Daten zu analysieren.
Vorgehensweise:
1. Lesen Sie Ihre bisherigen Aufzeichnungen durch (z.B. Ihre erste Beschreibung
der Situation).
2. Schreiben Sie die wichtigsten Merkmale der Situation, wichtige Ereignisse
und Handlungen, die in Ihren Daten vorkommen, auf Karteikarten. Schreiben
Sie danach die wichtigsten Rahmenbedingungen der Situation ebenfalls auf Kärtchen.
Sie sollten zu Beginn nicht zu viele Kärtchen haben, weil die Aufgabe
dann zu unübersichtlich wird. 8 – 16 Kärtchen sind in der Regel
ideal. (Wenn bei dieser Tätigkeit neue Aspekte auftauchen, die in ihrer
ersten Schilderung des Ausgangspunktes keine Rolle gespielt haben, können
Sie diese ohne weiters auch auf Karten schreiben)
3. Versuchen Sie nun, die Art der Beziehung zwischen den Kärtchen zum
Ausdruck zu bringen. Dazu können Sie weitere Kärtchen mit Beziehungssymbolen
verwenden.
Am häufigsten werden wahrscheinlich gebraucht:
Die grundlegende Idee der graphischen Rekonstruktion ist:
Da man die wesentlichen Elemente graphisch (und nicht in einem Redestrom)
repräsentieren muss, ist es notwendig, sich zu beschränken, Prioritäten
zu setzen, knapp und klar zu sein. Das kann dazu verhelfen, die wichtigen
Züge einer Situation herauszufinden. Die Arbeit mit den verschiebbaren
Kärtchen erleichtert das Durchspielen verschiedener Konfigurationen so
lange, bis Sie eine gefunden haben, die die Ausgangssituation zufrieden stellend
rekonstruiert.
4. Wenn Sie eine Darstellung der Ausgangssituation gefunden haben, die Sie
wirklich zufrieden stellt, halten Sie sie in Form eines graphischen Diagramms
fest.
(in Anlehnung an Altrichter/Posch, S. 86f)
Der vierte Arbeitsvorschlag:‚Gespräch
mit kritischen KollegInnen oder FreundInnen’
Gespräche mit KollegInnen
oder FreundInnen haben in der Aktionsforschung einen hohen Stellenwert.
Dies gilt nicht nur für die Phase der Situationsklärung, sondern
für den gesamten Forschungsprozess.
Sie lassen sich oftmals schnell organisieren und sind geeignet, zwischen den
Treffen der Forschungswerkstatt effektiv
am eigenen Prozess zu arbeiten.
Die Gesprächspartner
sollen dabei ‚kritische Freunde’ sein; die sich in die Situation Ihres Gegenübers
einfühlen können,
gleichzeitig aber auch bereit und in der Lage sind, informationsreiche und
ehrliche Rückmeldung zu geben.
Sicherlich werden solche
Gespräche nicht nach so strikten Regeln wie für Analysegespräche
ablaufen. Dennoch kann es
auch in einer solchen Konstellation sinnvoll sein, auf eine Gesprächsdisziplin
zu achten, die jener der ‚Analysegespräche’ ähnelt.
KollegInnen oder FreundInnen, die Sie unterstützen möchten sollten
• sich voll auf das Erfassen
Ihrer Situation konzentrieren,
• nur Informationsfragen, die das Verständnis der ZuhörerIn erhöhen,
stellen,
• auf Kritik und Lösungsvorschläge verzichten, um den Reflexionsprozess
nicht zu behindern oder
in eine bestimmte Richtung zu drängen.
(in Anlehnung an Altrichter/Posch,
S. 84f)
Der fünfte Arbeitsvorschlag: ‚Eine Geschichte aus Karten’
Versuchen Sie über
einen bestimmten Zeitraum hinweg (z.B. drei Wochen) praktische Situationen
zu beobachten, die für die vorläufig formulierte Fragestellung von
Bedeutung sind.
1. Beschreiben Sie jede
dieser Situationen möglichst genau auf einer DIN A5 Karte.
2. Am Ende der drei Wochen nehmen Sie alle Karten zur Hand und lesen sie durch.
3. Versuchen Sie Parallelen/Muster in den Situationen zu entdecken und tragen
Sie
die wesentlichen Elemente auf einer Karte zusammen.
4. Wird die vorläufig formulierte Fragestellung nun klarer?
5. Welche Veränderungen und Präzisierungen müssen an der Fragestellung
eventuell vorgenommen werden?
(In Anlehnung an Altrichter/Posch;
S. 89)
Der sechste Arbeitsvorschlag: ‚Drei Listen: Merkmale – Bedingungen – Handlungsmöglichkeiten’
Um die vorläufig formulierte Fragestellung näher zu klären und auf Ihre Relevanz zu überprüfen, können Sie drei Listen anlegen.
Liste 1:
Merkmale der Situationen, die für die Fragestellung bedeutsam sind.
In diese Liste tragen sie die ‚Fakten’ zusammen, die sie kennen und formulieren
das Problem.
Liste 2:
Vermutete Bedingungen und Einflüsse dieser Situationen.
In diese Liste können Sie mögliche Ursachen für das formulierte
Problem eintragen. Es kommt nicht darauf an,
dass diese Ursachen auch wirklich zutreffen, sondern es sind erstmal Hypothesen,
die in einem späteren Stadium
der Forschung überprüft werden können.
Liste 3:
Handlungsspielräume, um diese Situationen zu verändern.
Diese Liste dient dazu, sich darüber klar zu werden, ob die Situation
Handlungsmöglichkeiten und realistische Veränderungsmöglichkeiten
bietet. Nur, wenn Sie erkennen, dass Sie Handlungsspielräume haben, lohnt
es sich,
die Situation zur Forschungsfrage zu machen.
(In Anlehnung an Altrichter/Posch;
S. 89f)
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